Als ich meine LIs gekauft habe, ist mir das auch aufgefallen. Beruflich war ich seinerzeit bei einem nennenswert größeren und komplizierteren Produkt maßgeblich mit einer CE-Kennzeichnung beschäftigt. Deshalb erlaubt mir ein paar Ausführungen:
Die "CE-Kennzeichnung" ist kein Gesetz, keine Vorschrift und keine Norm. Vielmehr sollen mit der Richtlinie die Sicherheitsmerkmale von Sportbooten in allen Mitgliedstaaten der EU harmonisiert werden und Handelshemmnisse abgebaut werden.
Für den Besitzer eines Segelbootes entsteht durch eine CE-Kennzeichnung keine Zulassungsbeschränkung oder Betriebseinschränkung, genausowenig wie eine spezielle Zulassungsfreigabe oder Betriebsfreigabe: Ein Befahren eines küstennahen Reviers mit einem Boot der CE-Klasse D ist genausowenig verboten oder fahrlässig wie der Trugschluß, eine Befahren eines küstennahen Reviers mit einem Boot der CE-Klasse C ist automatisch erlaubt.
Die Konformität eines Produktes mit einer CE-Richtlinie kann sehr einfach z. B. vom Hersteller alleine festgestellt werden. Es ist dazu kein spezielles Gutachten erforderlich. Für unsere Lis gilt aber nicht nur die von Harald herangezogene kleine Tabelle sondern die EU-Richtlinie 2013/53/EU. Das Dokument ist 57 Seiten lang und verweist häufiger auf andere EU-Dokumente.
Eine Lis hat nach den Angaben des Herstellers die Klasse D, eine Sailart 17 gibt die Klasse C an.
Ich meine dazu:
Der Hersteller der Sailart 17 lehnt sich weit raus aus dem Fenster aber irgendwie wird er doch wohl hoffentlich alle 57 Seiten der EU-Richtlinie 2013/53/EU (einschließlich der dortigen Bezüge auf andere EU-Richtlinien) im Sinne der Kategorie C beantwortet haben.
Für unsere Lis gilt:
die Richtlinie 2013/53/EU muß getrennt angewendet werden für:
- eine Lis-Jolle ohne Ballastschwert
- eine Lis-Jolle mit 30 kg Ballastschwert
- eine Lis-Jolle mit 80 kg Ballastschwert
- eine Lis-Family mit 30 kg Ballastschwert
- eine Lis-Family mit 80 kg Ballastschwert
- eine Lis-6.0 mit 80 kg Ballastschwert
- alle o. a. Modelle ohne Motor (sonst wird es nochmal komplizierter).
Wenn überhaupt, dann sind wahrscheinlich nur die Lis-Family mit 80 kg Ballastschwert und die Lis-6.0 mit 80 kg Ballastschwert im Sinne einer seriösen Konformitätsprüfung nach Kategorie D gebaut
Die größten Hürden sind zu überwinden im Hinblick auf die Anforderungen zu Auftrieb und Schwimmfähigkeit sowie Höchstlast.
(wobei es Im Sinne der Richtlinie ratsam wäre, wenn die Werft die Lis-6.0 mit einer Rumpflänge von 5.99 m baut).
Mit einem entsprechenden Brainstorming gelingt es vielleicht, die Lis Family und die Lis 6.0 in die Kategorie C einzustufen, aber ich wäre nicht glücklich damit.
Das wäre ein Ergebnis, das nur entstanden wäre, weil es die Wettbewerber so ähnlich machen. Die Besitzer haben davon keinen Vorteil, denn, wie oben erläutert, ist immer der Bootsführer für den Betrieb eines Bootes verantwortlich. Er ist sogar verpflichtet, auf die Anwendung von Richtlinien und Normen zu verzichten, sofern er aufgrund seiner notwendigen Qualifikation erkennt, daß dies unvollständig, falsch oder nicht zutreffend sind und andere Maßnahmen zielführender sind.
Es ist geschickter, wenn man generell in Prospekten und ähnlichen Medien auf die Angabe der Kategorie verzichtet, weil eine kurze Antwort wie Kategorie C oder Kategorie D immer unvollständig ist.
Ich selbst kann jedenfalls mit dem jetzigen Zustand leben.
Gruß
Karl-Heinz