Liebe Lis-Freunde,
mein absolutes Lieblingsrevier, auch weil quasi bei mir vor der Haustür gelegen, sind die Boddengewässer rund um Rügen.
Nach meiner Ansicht sind sie für Fahrten mit der Lis und den Jollenkreuzern ideal.
Ich habe diese Gegend sowohl mit diversen Jollen und Jollenkreuzern als auch mit Dickschiffen befahren und würde flachgehende Boote immer vorziehen (viele Flachwassserbereiche).
Das Wetter kann allerdings auch schonmal recht unangenehm werden und auch ziemlich schnell umschlagen. Man sollte sein Boot also auch bei Starkwind (>4Bft.) sicher beherrschen.
Flaute ist hier eher selten (meistens dann, wenn man sich viel vorgenommen hat). Das gilt aber wohl für das gesamte Norddeutschland.
Der Wetterbericht, insbesondere Wetteronline und Windfinder funktionieren für die nächsten 24h aber ganz zuverlässig. Mehrere Tage im voraus geht es nur bei stabilen Hochdruckwetterlagen über ganz Europa, ansonsten ist das meist ein Glücksspiel...
Neben dem Wetter ist in diesem Revier ausgesprochen wichtig, sich an die Befahrensregeln des Nationalparks zu halten. Es gibt etliche (sehr große!) Wasserflächen, die absolut tabu sind. Sollte man da erwischt werden (und die Ranger sind echt auf Zack...), wird es sehr, sehr teuer!
Viele Flächen dürfen nur unter Segel oder mit Muskelkraft befahren werden. Den hochgeklappten Motor am Heck mitzuführen, ist aber okay... Die Benutzung von E-Motoren ist dort auch nicht erlaubt!
Neben den aktuellen Seekarten sind diese Bereiche auch in einer online-Karte unter http://www.nationalpark-vorpommersche-boddenlandschaft.de verzeichnet. Das funktioniert auch mit dem Smartphone ziemlich gut, zumal man dann gleich sehen kann, wo man sich befindet. Hier findet man auch die gesperrten Uferbereiche (Kernzone des Nationalparks), die ebenfalls nicht betreten werden dürfen.
Wenn man da aufpasst, ist das alles aber halb so wild und vor allem lohnt es sich!!! Die Natur bietet hier mit etwas Glück fantastische Schauspiele (z.B. Seeadler)...
Meine Touren habe ich oft in Ribnitz-Damgarten am Saaler Bodden gestartet. Dort gibt es zwei kostenlose Slipanlagen, je eine in den Häfen Ribnitz und Damgarten mit angrenzenden Parkmöglichkeiten. Wenn man Publikum beim Slippen nicht so mag, sollte man Damgarten wählen. Im Hafen Ribnitz ist mehr los, was abends aber auch sehr nett sein kann...
Dieser Ausgangspunkt hat noch einen weiteren Vorteil: Dank der Lage an der Bahntrasse nach Rügen kann man bei der Beendigung der Tour prima mit dem Zug zurückfahren, um Auto und Trailer zu holen. One-way-Touren nach Rügen sind also kein Problem...
Zum Saaler Bodden gibt es hier im Forum schon eine schöne Beschreibung. Da möchte ich nur ergänzen, dass wir gern am Nordufer direkt am Sandstrand des Regenbogencamps Born zum Übernachten festgemacht haben. Es ist dort je nach Wasserstand zwar ziemlich flach und manchmal etwas mühsam hinzukommen, aber man liegt dort sehr schön und günstig und hat alles nötige (Duschen, WC) vor Ort. Die Surferwiese rechts dieser Bucht sollte man aber eher meiden, wenn man sich keinen Kite mit dem Mast einfangen möchte...
Wir sind aber meist gleich durch die Bülten weiter bis zum Bodstedter Bodden durchgefahren. Hier findet man ebenfalls herrliche Buchten zum Anlanden.
Nach dem Passieren der Kanalbrücke (Mast legen! ...oder die seltenen Öffnungen abwarten) geht es weiter nördlich der großen Kirr nach Zingst. Südlich davon ist Sperrzone! Bei günstigem Wind kann man hier auch segeln, bei viel Verkehr sollte man in diesem engen Bereich aber besser mit Motor fahren. Bei stärkerem Ost- oder Westwind kann es hier ordentlich Strömung geben, deshalb ist ein Gegenankreuzen hier oft sehr mühsam bis unmöglich.
Der Barther Bodden ist dann wieder des Seglers Traum, gefühlt endlos weit mit etlichen Anlandemöglichkeiten. Der Wasserwanderrastplatz Dabitz ist für Ruhe-Suchende sehr zu empfehlen, in Barth ist in der Saison wieder recht viel los. Wer ganz allein sein will, findet wieder viele kleine Buchten, aber dann natürlich ohne Klo... Auf keinen Fall Nordufer, weil Sperrgebiet! Bei der Weiterfahrt Richtung Barhöft muss die grüne Tonne B51 des Fahrwasser zwingend gerundet werden. Wer hier abkürzt und erwischt wird, zahlt viel Geld in die Kasse des Nationalparks.
Barhöft selbst ist auch zu empfehlen. Wenn der Hafen im Sommer rappelvoll mit Dickschiffen ist, findet man mit der Jolle meist immer noch was an den kleinen Stegen. Falls nicht, kann man auch am Sandstrand südöstlich des Hafens anlegen, aber nur ohne Motor! Gegen einen kleinen Obolus beim Hafenmeister sind die Sanitäreinrichtungen dann auch benutzbar...
Ab Barhöft kann min sich jetzt entscheiden, ob es nord- oder südwärts weitergeht.
Im Norden locken die feinen Sandstrände von Hiddensee. Bei Ostwind ist man hier ganz geschützt unterwegs, bei Westwind wird es mit der Jolle sportlich. Die Brandung hat es dann in sich... Dann bietet sich der Umweg über die Bodden an. Bei gutem Wasserstand kann man zwischen den roten Tonnen 36 und 38 nach Osten abkürzen, aber nicht weiter nördlich (Sperrzone). Hier ist es allerdings sehr flach, so dass das nur mit aufgeholtem Schwert und Ruder durchkommt. Bei westlichen Winden klappt das aber meist ganz gut. Der Schaproder Bodden bietet dann wieder auf beiden Seiten Möglichkeiten zum Anlegen. Wer ein Klo braucht, kann im Osten den Campingplatz mit Strand nördlich von Schaprode oder im Westen Neuendorf ansteuern. Letzterer Hafen kann südlich der Mole auch wieder im Flachwasserbereich angelaufen werden. Die beiden Häfen Vitte und Kloster im Norden von Hiddensee sind in der Saison meist völlig überlaufen. In Vitte kommt man im privaten Seglerhafen mit einem kleinen Boot aber eigentlich immer irgendwie unter, wenn es denn sein muss. Nach Kloster ist es dann zu Fuß auch nicht mehr so weit. Die Insel selbst ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Wenn die ganzen Tagestouristen abends weg sind, wird es sogar in der Saison recht ruhig (keine Autos)...
Die Weiterfahrt Richtung Jasmunder Bodden ist auch sehr schön, wird von uns wegen der "Sackgasse" aber nicht so oft gemacht. Lauschig ist es in Grubnow, mehr los in Breege... Man muss halt den ganzen Weg wieder zurück, was bei der falschen Windrichtung durchaus fordernd sein kann.
Südlich kann man weiter Richtung Stralsund fahren. Die Stadt ist sehr hübsch und lohnt einen Besuch. Das Ozeaneum ist für Kinder und wasserinteressierte Leute fast schon ein Muss. Nach der Rügendammbrücke (Durchfahrtshöhe bei Normal0 8m) kann man links beim Gasthof Grahlerfähre für wenig Geld slippen. Der Bahnhof Altefähr ist nur einen kurzen Fußweg entfernt. Hier kann man sich also gut wieder per Zug nach Ribnitz-Damgarten begeben, wenn man die Tour beenden möchte. Ansonsten geht es durch den Strelasund weiter Richtung Süden mit einer Vielzahl von Anlege- und Anlandemöglichkeiten. Wir mögen den kleinen Hafen Puddemin sehr. Die Marina Neuhof auf der anderen Seite ist aber auch ganz nett (vor allem der Fischimbiss!).
Dann kommt der Greifswalder Bodden, bei westlichen Winden ein Traum, bei östlichen zuweilen recht eklig wegen der steilen, kurzen Welle. Es gibt Leute, die warnen immer wieder davor, hier mit kleinen Booten zu segeln. Tatsächlich sind hier schon viele Freizeitkapitäne verunglückt, aber bei der Beherzigung der eingangs erwähnten Dinge (Wetter!!!) ist das ein Revier wie jedes andere in Norddeutschland, was die Sicherheit angeht. Es ist fast überall sehr schön. Unsere Lieblingshäfen sind Seehof und Lubmin. Der Palmer Haken bietet geschütztes Liegen ganz ohne Hafen bei allen Winden über Nord...
Wir segeln gern weiter an Peenemünde und Wolgast vorbei ins Achterwasser. Ebenfalls ein traumhaft schönes Revier mit vielen Möglichkeiten zum Verweilen. In Lassan ist gefühlt die Zeit stehengeblieben. Wir finden den Campingplatz wieder uriger als den Hafen. Selbst in der absoluten Hochsaison ist hier tote Hose... Wir mögen das! Wenn man auf dem Trubel steht, dann ist man auf der anderen Seite (Insel Usedom) besser aufgehoben.
Der Peenestrom führt dann weiter bis ins Stettiner Haff mit nahezu unbegrenzten Weitersegelmöglichkeiten bis nach Polen, was auch absolut zu empfehlen ist. Viele Polen sind erstklassige Segler und nach unserer Erfahrung sehr freundliche und zuvorkommende Menschen. Diese Ecke steht deshalb bei uns für 2021 auf dem Programm, wenn Corona es denn zulässt, die Häfen kennen wir nämlich noch längst nicht alle.
Meist biegen wir aber dann doch in die Peene ab, tuckern gemütlich bis Anklam und beenden hier am Wasserwanderrastplatz unsere Tour. Der Mast liegt dann schon wegen der Brücken in der waagerechten... Schnell noch das Auto samt Trailer aus Ribnitz geholt und ab nach Hause...
Wer sich in diese Gegend etwas einlesen möchte, dem empfehle ich "Ein deutscher Segelsommer" von Wilfried Erdmann.
Da kommt man auf Ideen...
Das war jetzt ein sehr großes Revier sehr kurz zusammengefasst. Wenn Ihr Fragen habt, dann zögert nicht, sie hier zu stellen, viele werde ich aus erster Hand beantworten können...
LG
Stephan